Perfekt basteln - muss das sein? Anmerkung zu Basteltipps auf Pinterest & Co.
Heute schon auf Pinterest geguckt?
Ich gucke ja viel nach Anregungen für Basteleien mit Kindern. Meistens nutze ich dazu Pinterest und Instagram. Das sind wirklich tolle Quellen, wo Ihr euch viele Ideen holen könnt. Man kann Stunden dort verbringen …
Trotzdem stört mich eine Sache immer wieder:
Sehr viele Beispiele strahlen eine Perfektion aus, die von Grundschulkindern bestimmt nicht zu schaffen ist. Und auch nicht zu schaffen sein sollte. Ich sehe extrem viele Posts von perfekt manikürten Händen, die perfekt ausgeschnittene Formen zu perfekten Objekten formen und diese dann perfekt fotografieren oder filmen.
Perfektes Basteln eben!
Da ich ja selbst schon einiges an Filmchen gemacht habe, weiß ich, wie viel Arbeit dahinter steckt und will die Verfasser auch gar nicht kritisieren. Es ist durchaus sinnvoll, Arbeitsprozesse so zu zeigen, dass die Betrachter nicht ständig von unaufgeräumten Ecken abgelenkt werden.

Also Maria, warum stört dich das denn dann?
Bilder prägen unsere Weltwahrnehmung. Wenn ich nur Bilder von super attraktiven Menschen sehe, dann glaube ich irgendwann, dass die Welt wirklich aus solchen Menschen besteht oder bestehen sollte, und dass ich, wenn ich nicht so aussehe, irgendein Problem habe. Die negativen Einflüsse der inszenierten Bildwelten in den sozialen Medien vor allem auf junge Frauen und Mädchen sind ja hinlänglich bekannt.
Aber es geht doch nur ums Basteln!
Ja, das stimmt. Wobei ich das „nur“ natürlich nicht akzeptiere. Aber diese Art der Perfektion vermittelt uns eben auch, dass Basteln und Kunst machen mit Kindern normalerweise so aussieht oder so aussehen sollte. Vor allem, was die Ergebnisse betrifft. Unbewusst orientiert man sich daran und möchte natürlich auch perfekt basteln.
Das kann dazu führen, dass man dann doch wieder lieber Schablonen verwendet und fertige Vorlagen, damit alles „gleich aussieht“. Eben genauso „schön“ wie in dem tollen Bastelbeispiel aus dem Internet. Man will doch zeigen, dass die eigene Klasse auch so etwas Wunderbares machen kann. Vielleicht möchte man auch die Kollegen mit der schönsten Flurdeko beeindrucken. Das ist aber nur der Blick unserer verblendeten Erwachsenenaugen.
Die Fixierung auf „schöne / richtige / perfekte Ergebnisse“ führt gerade bei den Kindern, die sich etwas schwer tun und noch nicht so geübt sind im Umgang mit Stift und Schere, zu großem Frust (für mich war das früher im Sportunterricht so). Aus Frust kommt dann Ablehnung und als Erwachsene Menschen, die Kunst hassen (oder Sport).

Basteln ist Lernen
Gerade wenn man mit Vorschul- oder Grundschulkindern zu tun hat, ist diese Art zu arbeiten aber nicht nur unrealistisch, sondern in meinen Augen auch überhaupt nicht sinnvoll. Deshalb, liebe Lehrer*innen – lasst euch nicht von all den perfekten Bastelvideos in die Irre leiten! Das ist nicht das echte Leben und es ist auch nicht erstrebenswert. Nehmt die Ideen aus Pinterest & Co. als Anregungen, wandelt sie ab, bis sie zu eurer Klasse passen und überlegt, ob es nicht doch ohne Schablonen geht.
Es ist immer sinnvoller, die Kids selber die Erfahrung machen zu lassen, wie man eine Blüte zeichnet, als einfach eine ausgedruckte Blüte ausschneiden zu lassen. Besonders toll ist es, ihnen zur Demonstration eine echte Blume mitzubringen und gemeinsam zu erforschen, wie die Form denn „wirklich“ aussieht. Die Schemata, die die Schablonen zeigen und uns ins Hirn brennen, haben nämlich mit der Realität wenig zu tun. Aber das ist die Königsklasse, und ich weiß, es ist im hektischen Schulalltag selten möglich.
In >> diesem Artikel schreibe ich übrigens mehr dazu, warum ich Basteln so wichtig finde.
Der Reichtum liegt woanders
Lasst merkwürdige Formen zu: große, kleine, dicke, dünne, schiefe. Freut euch über verrückte Proportionen und ungewöhnliche Farben. Dieser unendliche Reichtum an Möglichkeiten ist doch das, was Freude macht an der Arbeit. Die Lebendigkeit, die aus den Arbeiten der Kids kommt, kann man als Erwachsener gar nicht mehr erreichen.
Was meint Ihr dazu? Lieber perfekt basteln oder lieber Mensch sein?
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