Ausstellung „Radikal! Künstlerinnen* und Moderne 1910 – 1950“ in Saarbrücken
Gleich zu Beginn der Ausstellung treffen wir auf diese originellen männlichen Verurteilungen der Kunst von Frauen – von Vorurteilen kann man kaum noch sprechen:








Mich hat das tatsächlich noch einmal schockiert, obwohl ich diese und ähnliche Formulierungen bereits kenne. Auch heute sind solche Denkweisen ja immer noch verbreitet, ich zumindest bin mehr als einmal damit beglückt worden. Warum solche Aggressionen, warum solcher Hass, warum diese Vernichtung? Nur Futterneid und Frauenangst? Ich begreife es nicht. Es tröstet auch nicht, dass heute manches anders ist. Aber schauen wir uns lieber die Arbeiten der Künstlerinnen* an!
Künstlerin werden ist nicht schwer? Naja …
Nach diesem Intro wundert man sich, dass es Frauen überhaupt geschafft haben, Kunst als Beruf zu ergreifen und auszuüben. Erst 1919 wurde ein reguläres Kunststudium für Frauen in Deutschland möglich, vorher gab es bestenfalls teuren Privatunterricht. Dementsprechend ist der Gang durch die Ausstellung ein Eintauchen in widrigste Lebensumstände, in Balanceakte und Frustrationen, aber auch in Kampfgeist, Durchsetzungsvermögen und Standhaftigkeit. Denn ein künstlerischer Beruf ist – egal welches Geschlecht man nun gerade hat – nie ein Selbstläufer.



Moderne Kunst – moderne Menschen?
Alle Kunstströmungen der Jahre 1910-1950 sind in der Ausstellung präsent: Futurismus, Expressionismus, FotoCollage, Abstraktion, Agitprop, Neue Sachlichkeit, Surrealismus – you name it. Künstlerinnen* waren überall dabei, von Anfang an. Aber – wer fällt uns ein, wenn wir an Vertreter dieser „Stile“ denken? Nur die männlichen Protagonisten sind in das allgemeine Bewusstsein und Gedächtnis gelangt.
Künstler kamen ins Museum, in die Fachliteratur und in den Kanon der Kunstgeschichte. Künstlerinnen* – mit viel Glück – vielleicht ins Depot. Da werden sie nun rausgekramt und man stellt fest, dass sie nicht einfach Nachahmerinnen „genialer“ Männer waren, sondern zeitgleich Agierende mit Forschergeist und Experimentierfreude.
So zum Beispiel Marlow Moss (siehe Bild oben), bei deren Werk man natürlich sofort an Mondrian denkt, der für seine strengen geometrischen und farbreduzierten Bildkonstruktionen berühmt und ikonisch wurde. Kein Museumsshop ohne Mondrian-Tasse! Aber war er wirklich der „Erfinder“ oder war er vielleicht am Ende der Epigone von Moss? Wahrscheinlich lässt sich das nie klären, denn Kunst entsteht oft in der Begegnung und Auseinandersetzung von Individuen (die beiden kannten sich) und so kommt es parallel zu ähnlichen Arbeiten. Die Frage nach der Henne und dem Ei macht bekanntlich wenig Sinn. Nur sollte man Moss gleichberechtigt behandeln und wertschätzen.
Meine Entdeckungen …



… sind eine komplett subjektive Mini-Auswahl aus den 60 Künstlerinnen* aus 20 Ländern. Ich will hier kein Namedropping machen – dazu ist ja die Ausstellung da. Also hingehen und selber anschauen! Wer es nicht ins lauschige Saarbrücken schafft, kann es noch in der Weltstadt Wien versuchen. Ich habe für mich einige neue Namen mitgenommen, deren Werk ich mir näher anschauen will.
Das ist zum einen die Künstlerin Toyen (oben links und Mitte) mit ihren sehr fein ausgearbeiteten surrealistischen Werken, die mich wirklich geflasht haben. Bei der Vogelscheuche links zum Beispiel ist jeder Strohhalm detailliert ausgearbeitet und wer eine Leidenschaft für Schleifenbänder hat, ist bei mir ohnehin ganz vorn. Daneben Leonor Fini (oben rechts), bei deren Bild ich direkt an „Wonderwoman“ denken musste. Ja, das Bild gibt in vielerlei Hinsicht Rätsel auf …


Auch eine Entdeckung für mich: Hanna Nagel (oben rechts). Sie ist mit mehreren kleinen Arbeiten vertreten, die mich nicht nur wegen der Themen, sondern auch aufgrund der starken grafischen Qualität faszinieren. Ihr Umgang mit Tusche, Feder, Lavierung und Zeichnung ist einfach großartig.
In der Ausstellung sind auch einige außereuropäische Künstlerinnen vertreten, darunter Saloua Raouda Choucair, deren Werk Module ich in dem Malbuch >> „Katze macht Kunst“ integriert habe. In diesem Büchlein hatte ich ein optimierteres Geschlechterverhältnis versucht. Vielleicht verkauft es sich deswegen nicht so gut wie „100 Meisterwerke bekannter Männer“. Nunja, ich nehme es mit Humor. 😉
Erkenntnis
Die Ausstellung gibt einen wirklich guten Überblick mit vielen tollen Künstlerinnen* und es gibt für die Kunstgeschichte (immer noch) vieles zu tun: entdecken, erforschen, altbekannte Vorstellungen korrigieren und neu bewerten. Let’s go!

Laufzeit:
8. Februar 2025 bis 18. Mai 2025 in der >> Modernen Galerie, Saarbrücken,
18. Juni 2025 – 12. Oktober 2025 im >> Belvedere, Wien
(Alle Fotos in diesem Artikel wurden von mir in der Ausstellung gemacht – technische Unzulänglichkeiten bitte ich zu entschuldigen)
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