Die Grimmwelt in Kassel - ein Märchen-Museum? Eindrücke vor Ort
Die Grimm Brüder und das Museum Grimmwelt
Das Leben und die Arbeit der Grimm Brüder ist kein Thema für einen Artikel, sondern für ein dickes Buch. Oder mehrere. Für erste Infos empfehle ich den passenden Wikipedia-Artikel. Ich schildere hier meine Eindrücke aus der Grimmwelt, dem Museum, das man in Kassel zu Ehren der beiden Brüder gebaut und eingerichtet hat.
Kurzgesagt: Das Museum lohnt sich unbedingt, auch wenn ich einige „Abers“ habe.
Wie immer bei Museumsbauten hat man viel Geld in die Hand genommen, für eine hochwertige Außen- und Innenarchitektur und natürlich das ganze Ausstellungsdesign. In einer labyrinthartigen Struktur im Untergeschoss kann man einzelne Themen anhand ausgewählter Begriffe erkunden.
Man versucht einen Spagat. Einerseits entführt man die Besucher mit Installationen und Mitmachstationen in die Grimmsche Märchenwelt, wie jede*r sie kennt oder erinnert. Dieser Teil richtet sich wohl vor allem an die Kinder, denen man kleine Erlebniswelten bietet. Gleichzeitig will man aber auch die kulturwissenschaftliche Arbeit und Bedeutung der Brüder Grimm darstellen. Also den Erwachsenenpart. Aber wie das mit einem Spagat so ist, er gelingt selten … Denn beides ist räumlich sehr eng verzahnt, um nicht zu sagen manchmal etwas gequetscht.
Was toll ist, also wirklich wirklich toll: Das Museum hat einen Bestand an großartigen Exponaten, Originalhandschriften, Möbel, Kleidung, Accessoires aus dem Familienbesitz. Viele Stücke aus der Jugendzeit der Brüder, zum Beispiel eigene Kinderzeichnungen. Die hätte ich mir vergrößert, vielleicht projiziert oder auf eine andere Weise hervorgehoben gewünscht. Auch ein Faksimile zum Blättern wäre eine Idee, gerade, um damit Kinder an die beiden Herren heranzuführen. Es gibt einige witzige comicartige Illustrationen, meist von dem Grimm-Bruder und Künstler Ludwig. In den Vitrinen, natürlich alles abgedunkelt, um die Papiere nicht zu schädigen, gehen sie leider sehr unter und können von Kindern kaum wahrgenommen werden.
Ich fand vor allem die Handschriften (s.u.) interessant, vollgeschriebene Kladden, zusammen geklebt und übereinander collagiert bis in die letzten Quadratzentimeter. Es freut einen ja immer zu sehen, wenn andere Menschen auch das Prinzip der Collage bei ihren Notizen anwenden.
Aber, wie so oft bei solchen Museen, man traut der Kraft der Originalexponate nicht. Statt dessen kombiniert (ach nein, das heißt inzwischen kontextualisiert) man sie mit zeitgenössischen Kunstwerken oder künstlerischen Installationen, die dann sehr viel Raum einnehmen. Hm. Das wird ja heute gerne so gemacht, aber ich finde, es lenkt weg von dem Fokus auf die Grimm-Brüder und bringt oft keinen besonderen Erkenntnis-Mehrwert. Eher entsteht der Eindruck, dass hier (mal wieder) ein paar Buddies und Namen aus der Kunstszene mit Euros bedacht werden sollten.
Mir persönlich haben von den Kunstobjekten die Schaukästen am Beginn des Museumsparcours (Buchstabe Z, der Rundgang ist nicht alphabetisch sortiert) besonders gefallen. Sie stellen auf ganz zauberhafte Weise Buchstaben, Schrift, Worte und Lebensszenen der Brüder Grimm unendlich filigran und mit erstaunlicher räumlicher Tiefe dar. Einfach Klasse!
Insgesamt ist die Dauerausstellung leider sehr gedrängt in der Anlage, da, wie bereits gesagt, viel Raum von Kunstinstallationen okkupiert wird. Für eine ganze Schulklasse ist es nach meinem Eindruck definitiv zu eng. Mit zwei oder maximal drei Kindern im Grundschulalter kann man den Besuch aber problemlos machen.
Bis zu dem Wort „Verkünstelt“ sind die Grimms bei ihrem Deutschen Wörterbuch nicht gekommen, sie mussten schon bei F aufhören, aber ich finde das Wort passend für meinen Gesamteindruck. Alles ist eben sehr sehr sehr durchgestaltet.
Zielgruppe ist hier offensichtlich Deutsches Bildungsbürgertum mit großem D. Ein bisschen schade. Aber das ist ein Thema für einen anderen Artikel …