und wie man sich täuschen kann.
Gestern – oder war es vorgestern – kam einer dieser üblichen YouTube-Hinweise zu einem neuen Video auf einem von mir abonnierten Kanal. Ich habe inzwischen so 300 auf meiner Liste, allerdings sind nur die wenigsten auf aktive Benachrichtigungen gesetzt. Egal. Der Kanal heißt „Art Assignments“ und wird von Sarah Urist Green gemacht, mit der Mission mehr Menschen für Kunst zu begeistern. Da bin ich doch gerne dabei. Der Teaser war irgendwas mit „Livestream You Are an Artist“ und ich dachte Oh, da hat jemand wohl das „if“ vergessen, vielleicht geht es darum, wie man als Künstler*in schöne Livestreams machen kann, das schaue ich mir doch mal an. Das Video startet, aber von Livestreams keine Rede, es geht um ihr Buch mit dem Titel „You Are an Artist“. OK, wieder jemand der sein Buch verkaufen will, dachte ich mir, so wie ich und viele andere auch, schaue ich mir doch kurz mal die Info an.
Im Überfliegen des Klappentextes bleibe ich tatsächlich hängen, obwohl, wie ich später feststelle, diese Stellen mit dem Hauptinhalt des Buches nicht so viel zu tun haben. Urist Green erzählt kurz von ihren Erfahrungen mit Kunst, der Kunstwelt und der Nicht-Kunstwelt und ich fühlte mich so „erkannt“.
„Artsy,” I learned, was a dismissive term. Found-object sculptures like the ones Holley made were “junk.” People who tried to sell these things were “scam artists.” If the art was minimal or abstract, well then, “I could do that.” This world of people and things that was so precious to me, was “pretentious” to many others. But I understood why they felt that way. By the time I became a curator in an art museum, I’d seen plenty of the money-fueled art world that gives all art a bad rap.“
Sarah Urist Green, „You Are an Artist“
„Künstlerisch“ für viele ein Schimpfwort, Kunst aus einfachen Materialien „Müll“, die Künstler alle „Scharlatane“, abstrakte Kunst „kann ja jeder“.
Was ihr wichtig war, war für andere „prätentiös“ – aufgesetzt, angeberisch, wichtigtuerisch, anmaßend. Suchen Sie sich ein beliebiges Wort aus, das Sie in diesem Zusammenhang selbst schon gedacht haben.
Ich auch. Und ich denke es immer wieder. Es gibt so vieles was mich nervt an und in der Kunst. Aufgeblasene Künstler, Museen, die nach dem Motto „diesen Namen brauchen wir auch in der Sammlung“ kaufen, Stadtverwaltungen, die für Kunst-am-Bau nur ihren regionalen Hero in Betracht ziehen. Trotzdem ist Kunst – für mich – nach wie vor ein Wunder. Als ich als Kind die ersten abstrakten Werke in einer Sammelzeitschrift gesehen habe, es waren Anzeigen für den Kauf von Druckgrafiken, wahrscheinlich von Miro und Kandinsky, war ich begeistert, dass es solche Bilder gab. Als eine junge Lehrerin, vermutlich eine Referendarin, aber von solchen Begriffen hatte ich als Grundschulkind keine Ahnung, uns ein Bild von Picasso zeigte (eines der ganz konventionellen, ein Kinderbild, ich glaube es war der kleine Pierrot) und ich dazu das Wort „New York“ lernte, war ich komplett fasziniert.
Das war die Welt, von der ich unbedingt ein Teil sein wollte.
Wie alles anfing
und wie man sich täuschen kann. Ich habe mich über das YouTube-Video getäuscht, ich habe mich über das Buch getäuscht, ich habe mich über die Kunstwelt getäuscht und wahrscheinlich auch über die Kunst selbst.
Sich-Täuschen ist also ganz normal.
Wer sich für das Buch interessiert findet es hier bei:
Onlineshop Penguin Random House oder – vielleicht für eine Bestellung aus Deutschland einfacher:
Amazon
Sarah Urist Green hat die USA bereist, verschiedenste Künstler*innen getroffen und sie um „Art Assignments“ (Kunstaufgaben) gebeten. 50 kleine Herausforderungen sind so entstanden, die jeder ohne großen Aufwand nachvollziehen kann, und – wir erinnern uns an Beuys – damit selbst ein Künstler wird. Ich würde es nicht ganz so hoch hängen und sagen einfach mal selbst Kunstmachen ausprobieren kann.
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